„Auffrichtige Anleitung …“

Einführung zum Eröffnungsprogramm der BBT 2024 am 3.3.204

von Dr. Matthias Lotzmann

Dass Johann Sebastian Bach seit seiner Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert, wie Albert Schweitzer es apostrophiert, als der „Kantor aller Kantoren“ gilt, war am Beginn seiner musikalischen Laufbahn keineswegs abzusehen. Sein ursprüngliches Berufsziel war das eines Instrumentalvirtuosen und Organisten. Denn seine entscheidenden Impulse erfuhr er ab seinem 15. Lebensjahr während seines Stipendiums an der Michaelis-Schule in Lüneburg und 1705 durch eigene Anschauung durch einen mehrwöchigen „Belauschung“ des hanseatischen Virtuosen und Kammermusikkomponisten Dietrich Buxtehude in Lübeck. Die Werke, die Bach studierte, repräsentieren neben dem kirchlichen Milieu also vornehmlich die musikalische Kunst der mittel- und norddeutschen Bürgergesellschaften.

 

Mit einer solchen Kostprobe beginnt dieses Konzert, mit einer für das hanseatische Wohnzimmer bestimmte Aria von Dietrich Buxtehude. Das heutige Eröffnungsprogramm trägt dem insgesamt Rechnung und ist konzeptionell deshalb von zwei entscheidenden Elementen geprägt: Es war bis zum Wechsel nach Leipzig 1723 die für Bach künstlerisch glücklichste Zeit, vornehmloich am Köthener Hof. Diese Zeit war von der gemeinsamen Musik, einer musikalischen Allianz mit dem Viola da gamba musizierenden Fürsten Leopold geprägt. Deshalb erklingen heute Abend die beiden komplexesten Werke, die für dieses Instrument entstanden sind. Und wir lernen Johann Sebastian Bach als den musikalischen Lehrer seiner Kinder kennen. Denn es waren vor allem die dreistimmigen Inventionen (Sinfonien), die Sie heute allesamt genießen können, die er im selbst im Unterricht verwendet hat. Diese fünfzehn Werke sind in ihrer Gesamtheit der Ausdruck einer umfassenden Anschauung von der Musik, praktisch hinsichtlich der Ausführung, ästhetisch hinsichtlich der Ausprägung eines guten Geschmacks und philosophisch, dass die Musik das Abbild des Wahrhaftigen verkörpere. Der Titel lautet im Original:

 

Auffrichtige Anleitung,

Wormit denen Liebhabern des Clavires,

besonders aber denen Lehrbegierigen, eine deüt-

liche Art gezeiget wird, nicht alleine (1) mit 2 Stimen

reine spielen zu lernen, sondern auch bey weiteren pro-

greßen auch (2) mit dreyen obligaten Partien richtig

und wohl zu verfahren, anbey auch zugleich gute inventio-

nes nicht alleine zu bekommen, sondern auch selbige wohl

durchzuführen, am allermeisten aber eine cantable

Art im Spielen zu erlangen, und darneben einen

starcken Vorschmack von der Composition zu über-

kommen.

 

Johann Sebastian Bach stellt sich heute Abend als fürstlicher Kammermusiker, aber auch privat, als genialer Didaktiker vor.