Luthers Lied „Christ lag in Todesbanden“

Hintergrundinformationen zum österlichen Orgelkonzert

von Dr. Matthias Lotzmann

Der Lieddichter Martin Luther erweist sich in diesem Lied als versierter und bildmächtiger Prediger und leidenschaftlicher Sänger. Er erweitert (in seinen Worten: „verbessert“) das „Christ ist erstanden“, indem er das Osterlob radikal in den Kontext der Theologie vom Kreuz stellt. Der Karfreitag und der Ostermorgen erscheinen im Text unauflöslich miteinander verbunden. Ausgehend von der Ostersequenz „Victimae paschali laudes“ schuf Luther 1524 dieses Lied, das heute zu Unrecht ein Schattendasein führt.

 

In besonderer Weise ist es hier für Luthers Vorgangsweise kennzeichnend: Er unterweist und jubelt zugleich. Katechese und österliches Lobpreisen sind ineinander verwoben. So singt er die Osterbotschaft ins Herz. Luther nimmt den Sänger mit hinein in das Drama des Kampfes zwischen dem Leben und dem Tod. Man meint, nicht nur Ohren-, sondern Augenzeuge des Geschehens am Ostermorgen zu sein. Das Leben verschlang den Tod und ließ diesem lediglich seine Gestalt, schemenhaft und entmachtet. Der Sänger ist am Ende Zeuge und Glaubender in einer Person: Er hat es gesehen und gibt es weiter. Umwälzende, für das Leben essentielle Dinge ereignen sich, in jeder der sieben Strophen neu beleuchtet. Luther entwirft auf der Grundlage des biblischen Berichts Szenarien und Haltungen: Begreifen, Todesangst, Kämpfen, Siegen, der „Gnaden Glanz“, „Wort der Gnaden“, Leben und Loben, Dankbar sein; welch kräftige Bilder warten in den Werken dieses Konzertes auf ihre Darstellung.

 

Den Interpreten reizt die musikalische Umsetzung: Strenge, Kanon, Konzert, Verspieltheit, Kraftfülle, die direkte klangliche Beschreibung des Kampfesgeschehens und der nicht enden wollende Gesang des Halleluja besticht auf unterschiedliche Weise in den jeweiligen Werken. Vier Komponisten erscheinen mit ihrer Version des „Christ lag in Todesbanden“. Es ist beeindruckend, in welch unterschiedlicher Weise die Meister des 17. Jahrhunderts den Gehalt darlegen: strukturell, dramaturgisch und klanglich; allesamt in großer Virtuosität, aber nicht um ihrer selbst willen; stets unverwechselbar; immer dem theologischen Geschehen verpflichtet.

 

1) Christ lag in Todes Banden,

für unsre Sünd gegeben,

der ist wieder erstanden

und hat uns bracht das Leben.

Des wir sollen fröhlich sein,

Gott loben und dankbar sein

und singen Halleluja.

Halleluja.

 

2) Den Tod niemand zwingen konnt

bei allen Menschenkindern;

das macht alles unsre Sünd,

kein Unschuld war zu finden.

Davon kam der Tod so bald

und nahm über uns Gewalt,

hielt uns in seim Reich gefangen.

Halleluja.

 

3) Jesus Christus, Gottes Sohn,

an unser Statt ist kommen

und hat die Sünd abgetan,

damit dem Tod genommen

all sein Recht und sein Gewalt;

da bleibt nichts denn Tods Gestalt,

den Stachel hat er verloren.

Halleluja.

 

4) Es war ein wunderlich Krieg,

da Tod und Leben ‚rungen;

das Leben behielt den Sieg,

es hat den Tod verschlungen.

Die Schrift hat verkündet das,

wie ein Tod den andern fraß,

ein Spott aus dem Tod ist worden.

Halleluja.

 

5) Hier ist das recht Osterlamm,

davon wir sollen leben,

das ist an des Kreuzes Stamm

in heißer Lieb gegeben.

Des Blut zeichnet unsre Tür,

das hält der Glaub dem Tod für,

der Würger kann uns nicht rühren.

Halleluja.

 

6) So feiern wir das hoh Fest

mit Herzensfreud und Wonne,

das uns der Herr scheinen lässt.

Er ist selber die Sonne,

der durch seiner Gnaden Glanz

erleucht‘ unsre Herzen ganz;

der Sünden Nacht ist vergangen.

Halleluja.

 

7) Wir essen und leben wohl,

zum süßen Brot geladen;

der alte Sau‘rteig nicht soll

sein bei dem Wort der Gnaden.

Christus will die Kost uns sein

und speisen die Seel allein;

der Glaub will keins andern leben.

Halleluja.